Mittwoch, 14. Juli | Neues Deutschland | Carsten Ondreka

Terrorparagraf gegen legale politische Arbeit
In Stuttgart-Stammheim geht der Prozess gegen zwei mutmaßliche Mitglieder der verbotenen DHKP-C zu Ende

Nach fast zweieinhalb Jahren endet am Donnerstag ein Terrorprozess nach Paragraf 129b gegen zwei migrantische Linke vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim.

Den beiden türkischen Gefangenen Ahmet D. Yüksel und Devrim Güler wird vorgeworfen, Mitglied in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu sein, der in Deutschland verbotenen DHKP-C. Gegen mutmaßliche Mitglieder dieser Organisation, die auch mit Anschlägen für einen revolutionären Umsturz in der Türkei kämpft, laufen momentan weitere Prozesse in Düsseldorf.

Tätigkeiten wie das Sammeln von Spenden oder die Weiterverbreitung von Publikationen können ausreichen, um nach dem Paragraf 129b kriminalisiert zu werden. Dies zeigt nach Meinung des »Netzwerks für die Freiheit der politischen Gefangenen«, das maßgeblich an der Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Prozess beteiligt ist, dass der sogenannte Anti-Terrorparagraf hauptsächlich gegen legale politische Arbeit gerichtet ist.

Die Chefanklägerin der Bundesanwaltschaft am OLG Stuttgart-Stammheim, Heike Becker-Klein, formulierte es so: »Es gibt keine legale Betätigung für die DHKP-C.« In diesem Zusammenhang erklärte sie die Angehörigen-Organisation Tayad-Komitee und die Anatolische Föderation e.V., ein Zusammenschluss von Kulturvereinen, fälschlicherweise zu Unterorganisationen der DHKP-C. Beide Organisationen arbeiten noch legal.

Die Bundesanwaltschaft forderte in ihren Plädoyers am 1. Juli viereinhalb Jahre für Devrim Güler, wobei hierzu eine ausstehende Strafe auf Bewährung addiert werden soll und für Ahmet D. Yüksel eine Strafe von sechs Jahren und sechs Monaten.

Um den Angeklagten nachzuweisen, dass sie der DHKP-C angehören, wurden während des Prozesses wiederholt Abhörprotokolle in den Prozess eingeführt, deren Beweiskraft mehr als fragwürdig war. So wurde der Chef der Istanbuler Anti-Terror-Abteilung Serdar Bayraktutan als Zeuge vernommen, obwohl gegen ihn konkrete Foltervorwürfe bestehen. Beweisanträge der Anwälte der Angeklagten oder auch der Angeklagten selbst, wurden regelmäßig abgebügelt.

Das »Netzwerk« macht seit Beginn des Prozesses auf die Kriminalisierung nach dem Paragraf 129b aufmerksam. Am 6. Juli kamen 70 Menschen aus ganz Deutschland zur Verhandlung, in der die Plädoyers der Verteidigung zu Ende verlesen und Ahmet D. Yüksel begann mit seiner Prozesserklärung, in der er auf die zahlreichen Widersprüche im Verfahren, aber auch auf die Widersprüchlichkeit des §129b selbst einging.

Der Rechtsanwalt von Ahmet Yüksel, Thomas Scherzberg kritisierte im Gespräch mit dem ND die überzogenen Sicherheitsmaßnahmen gegenüber den Prozessbeobachtern und seinem Mandanten. Im Bezug auf die Anklage und die restriktiven Haftbedingungen der Angeklagten warf er den Behörden politischen Opportunismus vor. »Die DHKP-C wird heute als Terrorgruppe verfolgt, so wie Arafat und die PLO vor über 30 Jahren. Mittlerweile bekam er den Friedensnobelpreis und die PLO ist ein allseitig anerkannter Verhandlungspartner«, erklärte Scherzberg.