Broschüre: Solidarität muss praktisch werden!

Solidarität muss praktisch werden! FlyerWeg mit den Paragraphen 129!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

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Freiheit für die § 129b- und alle anderen politischen Gefangenen!

Vor den Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte in Stuttgart-Stammheim und in Düsseldorf werden derzeit 6 türkische Linke nach § 129b wegen „Мitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation“ angeklagt. Sie sollen Mitglieder in der anatolischen revolutionären Organisation DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front) sein. Die DHKP-C befindet sich seit 2002 auf den sog. „EU-Terrorlisten“, welche vorrangig auf Informationen von Geheimdiensten basieren. Sie werden in nicht-öffentlichen Sitzungen des EU-Ministerrats verabschiedet und in zeitlichen Abständen aktualisiert. Mit dem „Argument“ des Kampfes gegen islamistische Organisationen, wurden zeitgleich auch bewaffnete linke Organisationen, wie beispielsweise die DHKP-C, auf die „EU-Terrorlisten“ gesetzt.

Der § 129b - Allzweckwaffe gegen migrantische Linke

Mit der Einführung der „EU-Terrorlisten“ und der Verabschiedung neuer „Anti-Terrorparagraphen“ wie dem § 129b in der BRD, wurden weitere Bausteine für die grenzüberschreitende Verfolgung politisch mißliebiger Gruppen gelegt. Ermittlungen nach § 129b setzen die Ermächtigung durch das Bundesjustizministerium vorraus. Das bedeutet, dass auf höchster Regierungsebene entschieden wird, ob Personen nach § 129b als „Mitglieder in einer ausländischen terroristischen Organisation“ verfolgt werden oder ob sie legitimen Widerstand gegen ein Unrechtsregime leisten! Die Strafverfolgung und die Justiz werden von politischen Interessen der BRD und ihrer Bündnispartner maßgeblich beeinflusst!

Wie willkürlich solche Auslegungen sind, verdeutlichen Beispiele wie die des südafrikanischen ANC oder der kurdischen PUK im Irak. Beide Organisationen galten lange Zeit als „terroristisch“ - sie sind aber mittlerweile als ehemalige Befreiungsbewegungen allgemein anerkannt und in ihren Ländern an der Regierungsmacht beteiligt.

Von der nach § 129b kriminalisierten Organisation muss weder eine Bedrohung gegenüber der BRD, noch überhaupt eine strafbare Handlung ausgehen, um sie hier als „terroristisch“ verfolgen und bestrafen zu können. Auch vom Grundgesetz gedeckte, legale politische Aktivitäten, können nach § 129b verschärft verfolgt werden, wenn sie von (angeblichen) Mitgliedern der kriminalisierten Organisation durchgeführt werden.

Mit dem § 129b ist der Repressionsrahmen gegen migrantische Strukturen stark erweitert worden: bei § 129b-Ermittlungen werden - analog zu Ermittlungen wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (im Inland) nach § 129a - Polizei und Justiz mit umfangreichen Überwachungsbefugnissen ausgestattet, wie beispielsweise der Telefon- und Emailüberwachung und der Befugnis Kameras, Wanzen und Peilsendern in Wohnungen und Fahrzeuge der observierten Personen zu installieren. Die kriminalisierten Personen können allein der Ermittlungen wegen unmittelbar in U-Haft genommen werden und müssen bei einer Verurteilung mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen! Außerdem werden wegen „Terrorismus-Vorwurf“ angeklagte politische Gefangene von Anfang an Isolationshaftbedingungen ausgesetzt. Das bedeutet dauerhafte Einzelhaft und starke Isolation von anderen Gefangenen, insbesondere von GenossInnen. Dazu gehören neben der Überwachung des Briefverkehrs der Gefangenen und der Konfiszierung von Briefen mit unerwünschten Inhalt, auch die starke Reglementierung der Besuchserlaubnisse und die körperliche Abtrennung von BesucherInnen und Gefangenen mittels zentimeterdicken Trennscheiben. Der § 129b-Gefangene Faruk Ereren bezeichnet die Isolationshaft als „Weiße Folter mit dem Ziel, uns zu zermürben“.

Zur Situation in der Türkei

Im Zusammenhang mit EU-Beitrittsverhandlungen wurde die Türkei zuletzt im März 2009 wegen grausamer Folter an oppositionellen Kräften öffentlich gerügt. Auf der anderen Seite erfolgt kein Aufschrei, wenn Verhörprotokolle aus türkischen Polizeiwachen in die laufenden §129b-Prozesse eingeführt werden. Damit demaskieren sich die Verantwortlichen in den Justizbehörden und offenbaren ihre Doppelmoral.

Die Kontinuität der Folter in türkischen Polizeiwachen und Gefängnissen reicht bis in das Jahr 1980 zurück. Damals putschten sich rechte Militärgeneräle an die Macht und gingen mit äußerst repressiven Mitteln gegen revolutionäre und demokratische Organisationen vor: 650.000 Menschen wurden vorübergehend in Gefängnisse gesperrt, 210.000 von ihnen bekamen einen Strafprozess, mehrere hundert Menschen wurden ermordet, mehrere zehntausend mussten ins Exil fliehen. Obwohl in der Türkei seit 1983 formal wieder demokratische Wahlen stattfinden, ist der nationalistische und rechtsextreme Einfluss des Militärs auf die Politik und die Gesellschaft weiterhin sehr stark. Das zeigt sich in der Frage um Kurdistan, wie auch im Umgang mit politischen Gegnern: Folter, auch mit Todesfolge, die äußerst brutale Niederschlagung von Widerstand in Gefängnissen und die weitestgehende Straffreiheit folternder Polizisten ist auch heute noch aktuell.

Die DHKP-C gründete sich im Jahr 1994, wobei ihre Wurzeln bis in den Aufbruch der 1968er zurückreichen. Als organisatorischer Vorläufer der DHKP-C gilt die 1978 gebildete Devrimci Sol. Die DHKP-C war wenige Jahre nach ihrer Gründung infolge der Bildung von Volksräten in den Elendsvierteln Istanbuls und in einigen anderen Städten relativ stark innerhalb der Bevölkerung verankert. Neben dieser Basisarbeit bekannten sich die bewaffneten Einheiten der Organisation zu Aktionen auf folternde Polizisten, Generäle, Politiker und Industrielle sowie zu Sprengstoffanschlägen auf Gebäude des türkischen Staates und auf repräsentative Wirtschaftsinstitutionen.

Die Isolation aufbrechen! Der Repression gemeinsam entgegentreten!

Die aktuellen § 129b-Verfahren gegen die DHKP-C sind die ersten in der BRD, die sich gegen eine linke Organisation richten! Im Falle staatlicher Repression ist es notwendig, dass die Schranken innerhalb der Linken überwunden werden und interessierte Teile der Öffentlichkeit in Freilassungskampagnen einen Platz der Solidarisierung finden.

Lassen wir die Parole vom Internationalismus praktisch werden und nehmen wir uns auch der Kämpfe der revolutionären Linken in der Türkei an! Nur wenn die verschiedenen Strömungen der radikalen Linken einen solidarischen Umgang untereinander entwickeln und zusammen kämpfen, können wir zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft werden.

Solidarität ist eine Waffe - Nutzen wir sie!

Beobachtet die Prozesse, schreibt Briefe, solidarisiert euch mit den Angeklagten! Macht die Vorgehensweise des deutschen Staates, die faktische Akzeptanz und Verwertung von Foltergeständnissen und anderer kaum überprüfbarer Вeweisquellen des BND und des Verfassungsschutzes, die parteiische und politisch motivierte Prozessführung öffentlich! Nutzen wir die Angriffsfläche, die

sich uns bietet, um das selbstgefällige Bild der deutschen Justiz und ihre Zusammenarbeit mit dem Folterstaat Türkei und der eigenen Ausübung von Folter in Form von Isolationshaftbedingungen anzugreifen!

Staatsschutzsenate, wie die in Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf stehen, genauso wie die Haftbedingungen der Gefangenen, in einer klaren Kontinuität zum Staatsterror der 70er und 80er Jahre gegen Menschen, die den bewaffnet kämpfenden Gruppen wie der RAF oder der Bewegung 2. Juni zugeordnet wurden. Repression trifft alle, die etwas verändern wollen und aktiv dafür eintreten! Unterstützen wir GenossInnen, die wegen ihrer politischen Aktivitäten isoliert und weggesperrt werden!

Hoch die internationale Solidarität!

Getroffen sind wenige, gemeint sind wir alle!

Zu Tode gefoltert: Engin Ceber

Der politische Aktivist Engin Ceber wurde während einer Protestkundgebung wegen der Niederschießung von Ferhat Gerçek in Istanbul festgenommen. Der 18-jährige Ferhat Gerçek war von der Polizei angeschossen worden, während er die legale linksgerichtete Zeitschrift Yürüyüs verkaufte. Engin Ceber wurde nach 10 Tagen Folter im Polizeiverhör in ein Krankenhaus gebracht. Er starb dort am 7. Oktober 2008 an den Folgen der Folter! Der Autopsiebericht nennt als Todesursache ein schweres Hirntrauma. Die folternden Polizisten tragen dafür bis heute keine Konsequenzen!

Übersicht über die laufenden § 129b-Prozesse:

OLG Stuttgart: § 129b-Pilotverfahren

Das Stammheimer Verfahren ist der erste § 129b-Prozess in der BRD gegen eine linksradikale Organisation. Der Prozess wegen dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP-C begann bereits am 17. März 2008. Das Verfahren gegen die fünf Angeklagten im Alter zwischen 36 und 53 Jahren findet im Gerichtsbunker des OLG Stuttgart statt, welcher direkt an die JVA Stuttgart-Stammheim angeschlossen ist. Dieser „Hochsicherheits“- Prozessbunker wurde 1975 eigens für die politischen Prozesse gegen RAF-Gefangene gebaut.

Mustafa Atalay, Hasan Subaşi, Devrim Güler und Ahmet Düzgün Yüksel sollen als Gebietsverantwortliche hochrangige Funktionen in der Organisation eingenommen haben. Sie sollen die finanzielle Basis der kämpfenden Organisation in der Türkei durch das Sammeln von Spenden gestärkt haben. Mittels Zeitschriften und Schulungen sollen sie die Inhalte und politischen Ziele der DHKP-C verbreitet haben. Ilhan Dermitas soll gefälschte Ausweispapiere für die Organisation bereitgestellt. Sie sollen „eine Rückfront der DHKP-C“ in der BRD gebildet haben.

Der Hauptbelastungszeuge, Hüseyin Hiram, ist ein ehemaliger Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes MIT und des deutschen Verfassungsschutzes. Er bezeugte an einem Waffentransport zwischen Bulgarien und der Türkei für die DHKP-C beteiligt gewesen zu sein und beschuldigte vier der Angeklagten, diesen Transport in der BRD vorbereitet zu haben. Während seiner Vernehmung bezeichnete Hiram die Angeklagten als „Vaterlandsverräter“ und „Hurensöhne, die er hinter Gitter bringen will“ und widersprach sich an mehreren Stellen grundlegend. Er war infolge seiner Verurteilung wegen Doppelagenschaft schizophren erkrankt. Seine Krankheit diente dem Senat als Legitimation dafür, seine Aussagen, trotz der Widersprüche, als Beweise werten zu können. „In einem Meer aus Lügen soll es Inseln der Wahrheit geben“ kritisierte ein Verteidiger.

International vernetzte Repressionsbehörden

Niederländische Ermittler haben bei Razzien Datenmaterial auf PCs gefunden, das Aufschluß über die interne Strukturierung der DHKP-C geben soll. Diese Datenträger wurden als Kopie an die deutschen Behörden weitergegeben. Über die Zuordnung von darin benützten Decknamen und Codewörtern, welche auch die Stammheimer Angeklagten verwendet haben sollen, soll ihre Mitgliedschaft in der Organisation bewiesen werden. Die Beweiskette krankt aber an der Stelle, dass von diesem, vom Senat als „zentrales Beweisstück“, gehandelten Datenträger, nur eine Kopie existiert - ohne Original-Datenträger lassen sich (mögliche) Manipulationen aber nicht ausschließen! Die Bundesanwaltschaft (BAW) steht und stand in ihren Ermittlungen auch im umfangreichen Austausch mit türkischen Justizbehörden. Im Herbst 2008 wurde der Chef der Istanbuler „Anti-Terror“-Abteilung, Serdar Bayraktutan, als Zeuge vorgeladen. Auf Protest der Verteidigung hin wurde auf seine Anhörung verzichtet. Gegen ihn laufen in der Türkei zwei Verfahren wegen Foltervorwürfen! Am 18.01.2010 wurde Bayraktutan aber erneut als Zeugen vorgeladen und angehört! Eine Entscheidung darüber, ob seine Aussagen als Beweise eingeführt werden dürfen steht noch aus, es dürfte aber das Ziel der BAW sein - wie auch die Einführung der Verhörprotokolle aus türkischen Gefängnissen in das Verfahren. Die Chefanklägerin der BAW erwähnte am 18.01., dass sie systematischen Schlafentzug nicht als Folter bezeichnen wollte!

Die ersten Urteile

Trotz der anfechtbaren Beweise gaben drei der fünf Angeklagten im August 2009 Erklärungen zu den Vorwürfen ab. Sie wurden zu zuvor zwischen Verteidigung und Gericht ausgehandelten Strafen verurteilt. Diese Erklärungen fanden in Absprache mit den übrigen Angeklagten statt und hatten keinen denunziatorischen Charakter: sie sind im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Verfassung der Verurteilten zu sehen. Der herzkranke und in der Türkei schwer gefolterte Angeklagte Mustafa Atalay erhielt trotz mehrerer Anträge auf Haftunfähigkeit keine Haftverschonung und konnte in der (Iso-)Haft unmöglich gesund werden. Der Gefangene Ilhan Dermitas war durch die Haftbedingungen stark psychisch angegriffen und verhandlungsunfähig. Sämtliche Anträge der Verteidigung auf Haftverschonung wurden vom Senat abgelehnt. Die Urteile lagen zwischen 2 Jahren und 8 Monaten und 5 Jahren Haftstrafe. Unter Anrechnung der U-Haftzeit wurden die Reststrafen zur Bewährung ausgesetzt. Als Auflage dürfen die Verurteilten keinen Kontakt untereinander oder zu den von Ermittlungsbehörden als DHKP-C Mitglieder gerechnete Personen oder sympathisierenden Vereinen aufnehmen!

Prozessende im Sept. 2010?

Das Verfahren gegen Ahmet D. Yüksel und Devrim Güler läuft noch weiter. Prozesstermine wurden bis September 2010 terminiert. Ahmet D. Yüksel und Devrim Güler befinden sich durch diesen Mammutprozess seit etwa 3,5 Jahren in Isolationshaft! Ahmet hat seit über einem Jahr eine schwere Hautallergie am Körper und leidet auch an der Erkrankung seiner Speiseröhre. Er sieht seine Allergie im Zusammenhang mit den Isohaftbedingungen und dem verwendeten Waschmittel oder sonstigem JVA-Schmutz. Wegen dem angeblichem Sicherheitsmangel beim Transport wird er aber nicht in das Gefängniskrankenhaus in Asperg verlegt. Auf seine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht hat er seit 5 Monaten keine Antwort erhalten.

Solidarisiert euch mit Devrim und Ahmet!

Weitere Infos:
www.no129.info
www.political-prisoners.net

OLG Düsseldorf: Faruk Ereren

Der Prozess gegen Faruk Ereren läuft bereits seit dem 15. Januar 2009 vor dem OLG Düsseldorf. Auf 256 Seiten wirft man dem 55-jährigen Faruk Ereren in der Anklageschrift die Mitgliedschaft in führender Position in der DHKP-C vor. Er soll als Mitglied im Zentralkomitee der Europaorganisation der DHKP-C tätig gewesen sein.

Foltergeständnisse als Beweismittel?

Das laufende Verfahren gegen Faruk Ereren beruht nach Aussagen der Verteidigung zu weiten Teilen auf türkischen „Beweis“-Material. Auch offenbar unter Folter erpresste Aussagen fließen in die Beweisaufnahme ein. Die völlig unkritische Haltung der BAW gegenüber Folter und Polizeigewalt in der Türkei wird auch auf Seite 123 der Anklageschrift deutlich: Hier wird ein Gefängnis-Massaker, mit dem die Polizei am 19. Dezember 2000 einen Hungerstreik politischer Gefangener gegen ihre Verlegung in Isolationszellen beendete, als eine „gewöhnliche polizeiliche Maßnahme“ bezeichnet. Bei diesem Massaker wurden 29 Gefangene getötet und Hunderte verletzt! Da Faruk von seinem Aussageverweigerungsrecht umfangreich Gebrauch machte und das OLG Düsseldorf deshalb auf dünner Beweislage agierte, wurde Faruk eine Absprache angeboten, die er jedoch kategorisch ablehnte.

Faruk sitzt an seinen Prozesstagen aus „Sicherheitsgründen“ hinter einer Front aus Plexiglas. Zusätzlich zu seiner Isolation in der Haft wird er so auch an den Prozesstagen körperlich isoliert und diffamiert. Er befindet sich seit seiner Festnahme im Sommer 2007 seit fast 3 Jahren in Iso-Haft! Besuch erhält er derzeit nur von seinen Anwälten und seinem Cousin. Versuche politisch aktiver ProzessbeobachterInnen eine Besuchserlaubnis für ihn zu bekommen wurden mit dem Verweis abgelehnt, dass die Besucher Sympathisanten der Organisation seien und verdeckt Nachrichten übermitteln könnten(!).

Repression gegen Soli-Aktivitäten

Mehrere ProzessbeobachterInnen wurden am 27. Mai 2009 während der Verhandlungspause am Mittag in die unterirdischen Zellen des Gerichts verschleppt. Dort kam es gewalttätigen Übergriffen durch die Gerichtspolizei. Zurück im Gerichtssaal, lösten die unübersehbare Verletzungen und die Schilderung des Vorfalls beim Strafsenat keine Reaktion aus und er unternahm nichts gegen die prügelnden Beamten. Das einziges „Vergehen“ der ProzessbeobacherInnen war im Gerichtssaal „Freiheit für Faruk“ gerufen zu haben.

Faruk droht akut die Abschiebung in die Türkei!

Faruk Ereren ist mittlerweile nicht nur durch die direkte Androhung einer Verurteilung durch die deutsche Justiz bedroht, sondern auch durch die Androhung einer direkten Auslieferung an die Türkei. Der 2. Strafsenat des OLG Düsseldorf fasste am 29.01.2010 den Beschluss, einem Auslieferungsersuchen an die Türkei zuzustimmen! „Was mich erwartet wenn ich in die Türkei ausgeliefert werden sollte, ist Repression, Folter und Haft bis zum Tod. Der faschistische Staat in der Türkei hat eh schon zur Sprache gebracht, mich bis zu meinem Tod ins Gefängnis stecken zu wollen“, Faruk in einem Brief an GenossInnen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 16.01.2010 in einem ähnlichem Fall, der die Auslieferung eines kurdischen Funktionärs betraf, die Aufhebung des Auslieferungsbescheids beschlossen. Das ist ein gutes Zeichen, es garantiert aber nicht, dass das BVerfG in Faruks Fall ebenso entscheiden wird!

Die Prozesse finden mittwochs und donnerstags ab 10:30 Uhr im Prozessgebäude des Oberlandesgerichts, Kapellweg 36, 40221 Düsseldorf statt.

Das Freiheitskomitee sammelt für eine Petition zur Verhinderung der Auslieferung Faruks Unterschriften, welche ans Bundesjustizministerium weitergeleitet werden. Die Petition ist per Mail erhältlich über: faruk.freiheit@gmail.com.

Unterstützt Faruk!

Weitere Infos:
www.no129.info
www.political-prisoners.net

Blinder Zeuge in Beugehaft

Der im Juli 2009 im Prozess gegen Faruk Ereren vorgeladene Zeuge Nuri Eryüksel wollte während der Beweisaufnahme zu gewissen Fragen keine Angaben machen. Er hatte den Eindruck, dass die Beantwortung der Fragen für ihn nachteilig sein könnte und auf seine eigene Person zielten. Nuri war ingesamt 17 Jahre lang wegen dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP-C in der Türkei und in der BRD in Haft. In türkischer Folterhaft verlor er sein Augenlicht.

Der Senat beantwortete seine Weigerung mit der Verhängung von Beugehaft und 500 Euro Bußgeld, was bei den ProzessbeobachterInnen Empörung auslöste. Dieses Urteil wurde 4 Wochen später zwar vom Bundesgerichtshof aufgehoben – Nuri hatte inzwischen aber schon 4 Wochen Beugehaft hinter sich bringen müssen!

Ziel der Beugehaft ist die Aussageerpressung – hartes Durchgreifen bei einem Zeugen, der nicht mehr sagen möchte, als zu was er verpflichtet ist, verglichen mit dem Umgang mit Zeugen vom BKA oder der Geheimdienste, die dort, wo Beweislücken entstehen könnten oder sie sich nicht erinnern können oder wollen, umfangreichen Gebrauch von ihrem Aussageverweigerungsrecht machen (dürfen) und so die Position der Verteidigung erschweren.

OLG Düsseldorf: Neuer §129b-Prozess

„...Obwohl es ein „Anti-Terror-Verfahren ist, geht es hierbei nicht um die Gefährdung Deutschlands. Es geht um die Verteidigung Ankaras in Düsseldorf, einem Folter- und Mörderregime und dessen Freiheiten. Die gleiche Freiheit oder die „westlichen Werte“ werden auch genauso am Hindukusch verteidigt. So benennen sie ihren Krieg...“ (Cengiz Oban, JVA Bochum).

Im November 2008 wurden Nurhan Erdem, Cengiz Oban und Ahmet Istanbullu festgenommen. Ihnen werden Verstöße gegen § 34 AWG (Außenwirtschaftsgesetz) im Zusammenhang mit einer Mitgliedschaft in der DHKP-C vorgeworfen. Die Listung der DHKP-C auf der „Terrorliste“ spielt im Anklagekonstrukt eine zentrale Rolle. Nach dem 11. September erließ die EU mit der „Terrorliste“ eine Verfügung, die unter Strafe stellt, sog. „Terrorverdächtigen“ oder deren Organisationen finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Wer gegen diese Sanktionsmaßnahmen nach § 34 AWG Abs. 4 verstößt, kann zu Haftstrafen von 6 Monaten bis zu 15 Jahren verurteilt werden!

Die Anklagepunkte

Zahlreiche Vorwürfe der Bundesanwaltschaft betreffen vermeintliche Spendensammlungen für die DHKP-C, ohne dass die Spendenhöhe oder Ort der Spendensammlung genauer benannt werden! Konkrete Vorwürfe betreffen fast ausschließlich die Arbeit in legalen Kulturvereinen, Solidaritätsarbeit zur menschenrechtswidrigen Situation in türkischen Gefängnissen und die finanzielle Unterstützung politischer Gefangener. Nurhan Erdem wird außerdem vorgeworfen, dass sie, als Vorsitzende des anatolischen Kulturvereins, eine hochrangige Funktion in der Organisation eingenommen habe. Für dieses Verfahren wird - wie im Stuttgarter Verfahren - von der Bundesanwaltschaft versucht, den Chef der Istanbuler „Anti-Terrorabteilung“, Serdar Bayraktutan, als Zeugen vorzuladen. In der Türkei laufen gegen ihn Verfahren wegen Foltervorwürfen!

Seit 1,5 Jahren in U-Haft

Nurhan, Cengiz und Ahmet sind seit ihren Festnahmen wie die anderen § 129b-Gefangenen in Isolationshaft. Nurhan Erdem darf von ihrem Ehemann nicht besucht werden und darf auch keinen Briefkontakt zu ihm halten, weil er angeblich verdeckt Nachrichten übermitteln könnte. Die Zustellung von Briefen an Cengiz wurde mehrfach verzögert oder Briefe ganz konfisziert. Eine Ausgabe des Gefangen Infos wurde ohne Nennung der Gründe Cengiz und Ahmet nicht zugestellt. Cengiz und Nurhan beteiligen sich intensiv an den Debatten im Gefangenen Info und haben eine offensive Prozessführung angekündigt.

Solidarität mit Nurhan, Ahmet und Cengiz!

Prozessbeginn: 11. März um 9:15 Uhr

Gebäude des Oberlandesgerichts,
Kapellweg 36,
40221 Düsseldorf

Repression gegen "Scharf-Links" und das "Gefangenen Info"

Das Internetportal „Scharf Links“ und das „Gefangenen Info“ wurden wegen ihrer Berichterstattung zur Beugehaft Nuri Eryüksels mit einer Verleumdungsklage überzogen. Im Gefangenen Info Nr. 348 und auf „Scharf-Links“ wurde ein Artikel der Roten Hilfe Düsseldorf-Mönchengladbach veröffentlicht. Die kriminalisierte Passage in dem Artikel „Blind in Beugehaft“ lautet: „Вesonders zynisch bemerkte der Vorsitzende Richter des 2. Strafsenates, für Nuri (Eryüksel) sei die Beugehaft wohl ein wirksames Mittel, um sich zu besinnen, denn er sei ja erblindet“. Auch andere ProzessbeobachterInnen und ein Anwalt bestätigen, dass sie sich an eine Bemerkung des Vorsitzenden Richters im Zusammenhang mit der Erblindung Eryüksels und der Frage der Beugehaft erinnern können, die sie als zynisch empfunden haben. Die Richter des Düsseldorfer 2. Strafsenats behaupten dagegen einstimmig, dass das Zitat nicht gefallen sei. Statt eine Gegendarstellung zu verlangen, entschied sich das OLG Düsseldorf dafür, die Publikationsorgane mit einer Verleumdungsklage substanziell anzugreifen. Im Falle von „Scharf-Links“ ging die Verleumdungsklage ins Leere: der saftige Strafbefehl über 12.000 Euro wegen der kriminalisierten Passage wurde vom Amtsgericht Krefeld am 16. Februar 2010 aufgehoben und die Betreiberin des Internetportals „Scharf-Links“ freigesprochen. Gegen den Strafbefehl über 2800 Euro gegen den presserechtlich Verantwortlichen des „Gefangenen Infos“, Wolfgang Lettow, wurde ebenfalls Einspruch eingelegt. Es wird deswegen am 21. April zu einem Verfahren vor dem Amtsgericht in Berlin kommen, zu dem das Gefangenen Info mobilisieren wird!

Die Repressionswelle reisst nicht ab...

Gegen die drohende Auslieferung des nach § 129b Angeklagten Faruk Ereren an die Türkei wurden vom Freiheitskomitee bundesweit verschiedene Aktionen organisiert. Am Morgen des 24.02.2010 kam es in den Vereinsräumen der anatolischen Föderation in Duisburg, Köln, Dortmund, Stuttgart, Berlin, Nürnberg, Wuppertal und Hamburg zu Hausdurchsuchungen. Die Räume der anatolischen Föderation in Wuppertal wurden durchsucht, ohne dass Vereinsmitglieder anwesend waren! Sie wurden erst nach Eindringen der Polizei informiert.

Auch Räume von Privatpersonen wurden durchsucht und zwar von Personen, deren Personalien von der Polizei bei den Soliaktionen gegen die Auslieferung von Faruk Ereren festgestellt worden waren.

Zwei Personen wurden im Zuge der Razzien verhaftet: Ünalkaplan D. und Alaatin A. werden die Zugehörigkeit zur „Rückfront der DHKP-C“ vorgeworfen.

Schreibt den politischen Gefangenen!

„Briefe sind für Gefangene nicht wegzudenken, auch eine Postkarte, einzig und allein mit einem Gruß. Die kleinste ist auch die größte Freude für den Gefangenen... Mit der Inhaftierung geht es doch genau darum, nämlich die Solidarität und die Kollektivität zu durchbrechen. Da, wo die Solidarität herrscht, kann es keinen Egoismus geben. So stark die Kollektivität wächst, so schwach wird auch die Konkurrenz...“ (Cengiz Oban in einem Brief)

Der Vogel „Boran“ symbolisiert in der Türkei die Widerstandstradition in den Gefängnissen. (Zeichnung von Ahmet Düzgün Yüksel).

Die Adressen der § 129b-Gefangenen:

Ahmet Düzgün Yüksel
JVA Stuttgart Stammheim
Asperger Str. 60
70439 Stuttgart

Devrim Güler
JVA Stuttgart Stammheim
Asperger Str. 60
70439 Stuttgart

Ahmet Istanbullu
JVA Wupperal
Simonshöfchen 26
42327 Wuppertal

Cengiz Oban
JVA Bochum
Krümmede 3
44791 Bochum

Faruk Ereren
JVA Düsseldorf
Ulmenstr. 95
40476 Düsseldorf

Nurhan Erdem
JVA Köln
Rochusstraße 350
50827 Köln

Zu den HerausgeberInnen:

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen
www.political-prisoners.net

Komitee gegen §§ 129
www.no129.info

Weitere Antirepressionsgruppen und -projekte:

Gefangenen Info
www.gefangenen.info

Rote Hilfe International
www.rhi-sri.org

Rote Hilfe e.V.
www.rote-hilfe.de

Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu Jamal
www.mumia-hoerbuch.de

Einstellungsbündnis
www.einstellung.so36.net

Freiheitskomitee Email:
faruk.freiheit@gmail.com