Der erste Verhandlungstag im Jahr 2010 im § 129-b-Verfahren (Mitgliedschaft oder Unterstützung von kriminellen und terroristischen Organisationen im Ausland) gegen Faruk E. zerfiel vom inhaltlichen Standpunkt aus in zwei Teile. Und diese Zweiteilung war symbolträchtig.
Geladen war als Zeuge ein Diplom Ingenieur für Augenoptik, der mit seiner Aussage erhellen sollte, ob und wo Faruk E. eine Brille gekauft habe. Fachbegriffe fielen: Scheitelbrechwerte, Farbnummern, Sehstärke –viel sagend, welche Datenvielfalt Optiker auf so genannten Brillenpässen speichern, ob die KundInnen mit der Weitergabe ihrer Daten einverstanden sind? Am Ende der Zeugenbefragung stellte sich die die Frage: Welche Schlüsse lassen sich denn jetzt ziehen? Diese Frage blieb nicht nur bei den sieben anwesenden ProzessbeobachterInnen im Dunkeln.
Zweiter Schwerpunkt war eine Prozesserklärung.
Faruk stellte die aktuellen Vorgänge in der Türkei in Zusammenhang mit seinen Verfahren und legte eindeutig dar, dass der 2. Strafsenat des OLG Düsseldorf sich gemeinsam mit der Bundesanwaltschaft zum Erfüllungsgehilfen der türkischen Regierung mache, einer Regierung, die selbst elementare Menschenrechte mit Füßen trete. In diesem Zusammenhang wies Faruk auf die neuesten Fakten im Menschenrechtsbericht zur Türkei hin. Vor dem Hintergrund politischer Instabilität und militärischer Auseinandersetzungen kam es im vergangenen Jahr zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen. Berichte über Folter und andere Misshandlungen nahmen zu. Auf kritische Äußerungen reagierten die Behörden mit Einschüchterungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen. In seinen anschaulichen Ausführungen zur aktuellen Situation in der Türkei konnte Faruk dies dann mit konkreten Beispielen belegen.
Das Recht auf friedliche Versammlung wurde missachtet, und die Ordnungskräfte lösten Demonstrationen unter Einsatz exzessiver Gewalt auf. Das Antiterrorgesetz wurde dazu benutzt, das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken, und die auf Grundlage dieses Gesetzes geführten Verfahren waren häufig unfair. Es gab weiterhin Hürden, die verhinderten, dass Beamte mit Polizeibefugnissen für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen wurden.
Faruk nahm dann Stellung zu den aktuellen Ereignissen von Endirne bis Kars. Kars liegt im Nordosten Anatoliens, etwa 45 km westlich der Grenze zu Armenien und 65 km südlich der türkisch-georgischen Grenze. Edirne befindet sich etwa 220 km westlich von Istanbul nahe dem Dreiländereck Bulgarien, Griechenland und Türkei.
Seit dem 60. Gründungstag der NATO gibt es in der Türkei massiven Widerstand gegen die westliche Militärallianz. 24 linke Parteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsorgani-sationen haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen.
In der Kampagne „Amerika defol“ wird vor allem die Schließung des US-Stützpunkts Incirlik gefordert. Dieser Stützpunkt wird seit Jahrzehnten als Angriffszentrum gegen die Völker in der benachbarten Nahostregion genutzt. 143.000 Soldaten sollen auf diesem Militärstützpunkt untergebracht werden, um dann in Afghanistan eingesetzt zu werden.
Drei Mitglieder des Jugendvereins in Edirne:
Harika Kizilkaya, Cevahir Erdem und Gürbüz Sönmez,
die sich dieser Kampagne angeschlossen haben, um die Schließung des Militärstützpunkts zu fordern, wurden am 19. Dezember ohne rechtliche Grundlage verhaftet. Dazu sollte mensch wissen, dass in der Türkei tausende Strafverfahren gegen Kinder laufen, die angeblich an Protesten gegen die türkischen Behörden teilgenommen haben. Die Tatsache, dass die Anzahl der Strafverfolgungen zunimmt, ist erschreckend.
Angehörige und FreundInnen der in Edirne verhafteten Jugendlichen wollten am 27. Dezember in Edirne eine Solidaritätskundgebung abhalten.
Revolutionäre Jugendliche, die den Kampf ihrer inhaftierten FreundInnen weiterführen wollten, öffneten an diesem Tag einen Infotisch, um von den Menschen in Edirne Unterschriften zur Schließung der Militärzentrale und für die Unabhängigkeit des Landes zu sammeln. Doch bei dieser Aktion im Stadtteil Saraclar wurden Mütter und Väter der Inhaftierten, sowie die revolutionären, kämpferischen Jugendlichen einem Lynchangriff ausgesetzt, der unmittelbar von der Polizei und von Zivilfaschisten hervorprovoziert wurde. Mit scheineiligen Aufrufen, wie "Volk von Edirne, schlaf nicht, setz Dich für dein Land ein", wurden Menschen dazu angestachelt, sich dem Lynchangriff anzuschließen.
Anstatt den Angriff zu verhindern, mischte sich die Polizei unter die Angreifer und nahm
8 Personen fest. Auch während des Polizeigewahrsams wurden die Angriffe fortgesetzt. Während 6 der festgenommenen Personen am Abend des 28. Dezember freikamen, wurden Serkan Fikir und Ebru Aydogdu willkürlich verhaftet.
Die Angriffe gingen damit nicht zu Ende. Es folgten weitere, als Mitglieder des Jugendvereins in Erzincan und Kars, sowie Angehörige der Volksfront in Edirne die Freilassung ihrer 5 FreundInnen forderten. Beim Versuch eine Presseerklärung im Zentrum von Edirne abzuhalten, warteten etwa 1000 Polizeikräfte und Faschisten auf dem Weg dorthin. In Erzincan wurden zuerst die Faschisten auf die Protestmenge losgehetzt und später griff die Polizei an. Dort wurden weitere 11 Personen festgenommen.
Auch in Kars wurden 16 Personen auf ähnliche Weise festgenommen. In weiteren Städten, wie in Trabzon und Sakarkya versuchte man ein weiteres Mal mit dem Szenario durchzukommen "Die BürgerInnen griffen an, die Polizei kam rettend zur Hilfe".
Doch weder waren es BürgerInnen, die den Angriff durchführten, noch die Polizei, die die Angegriffenen rettete. Der Angriff wurde direkt von den Sicherheitskräften der AKP-Regierung durchgeführt. Damit sollen einheimische, kritische Stimmen gegen die US-Hegemonie niedergeschlagen werden.
Im ganzen Land finden nun Aktionen zur Solidarität mit den Inhaftierten und aus Protest gegen die Lynchangriffe statt.
Faruk bekundete in seiner Prozesserklärung seine Solidarität mit den willkürlich verhafteteten Menschen in der Türkei.
Fazit: Der Erkenntniswert des ersten Verfahrensteils bezüglich Faruks Brille blieb im Dunkeln, ganz klar in Augenschein nahm Faruk selbst im zweiten Verfahrensteil die Menschenrechtslage in der Türkei.
Nächste Verhandlungstag ist der 13.1.2010, die Verhandlung beginnt dann um 10.30 Uhr.
Weitere Verhandlungstage sind: 3.2.,4.2., 17.2.,18.2., 24.2., 25.2., 3.3., 4.3., 10.3., 11.3., 18.3.,24.3., 25.3.- die Sitzungen finden im Prozessgebäude des Oberlandesgerichts, Kapellweg 36, 40221 Düsseldorf, statt.
Das Prozessgebäude liegt etwa 4,4 Kilometer von dem Hauptgebäude entfernt.
ab Düsseldorf Hauptbahnhof
mit den S-Bahnen
S 8 Richtung Mönchengladbach Hbf/Europaplatz,
S 11 Richtung Bergisch-Gladbach,
S 28 Richtung Kaarster See
bis Haltestelle "Völklinger Straße"
mit der Straßenbahn-Linie 708 Richtung Düsseldorf-Hamm bis zur Haltestelle "Hemmersbachweg", sodann jeweils über die Plockstraße zum Kapellweg 36.