Zur Kommunikation mit Gefangenen

Der Artikel ist im Gefangenen Info Nr 353 erschienen. Siehe auch www.gefangenen.info

Antirepressionsarbeit hat viele Gesichter, ob es nun Informationsveranstaltungen, Demonstrationen oder andere Aktionen zum Thema Repression und Eingesperrte sind. Ein wichtiger Gesichtspunkt dieser Arbeit, der direkte Kontakt zu den Inhaftierten, kommt leider oft zu kurz. Doch gerade dieses Gebiet ist unheimlich wichtig, zum einen für die Weggesperrten, zum anderen für uns, da der Knast ein weiterer Schauplatz des Klassenkampfes und der Auseinandersetzung mit den Herrschenden ist. Viele sind hinter Gittern wegen "Eigentumsdelikten", weil sie sich aufgrund ihrer Klassenlage und den damit verbundenen Lebensbedingungen "Nebenverdienstmöglichkeiten" schaffen mussten oder ohne deutschen Pass keinen Zugang zu legalen Einnahmequellen haben. Andere weil sie aktiv gegen das kapitalistische System kämpfen. Es hat sich zwar ein bisschen was bewegt bezüglich der Notwendigkeit der direkten Auseinandersetzung mit Gefangenen, aber trotzdem ist die Parole "Drinnen und draußen ein Kampf!" noch nicht Realität für die (radikale) Linke.

Wie sind diese Blockaden aufzulösen?

Ich denke, es ist wichtig, auf einige Probleme und Fragen einzugehen.

Wir sind zur Zeit mit einer stark zunehmenden Repression konfrontiert. Die Widerstandsbekämpfung im Inneren wird also immer weiter ausgebaut und verschärft, um z.B. die deutschen Kriegseinsätze abzusichern.

Genossinnen und Genossen meiden nicht nur Prozesse, da sie Angst vor der Erfassung haben, sondern lehnen Kontakt mit verhafteten GefährtInnen wegen der Erfassung ab.

Schauen wir uns diese Beispiele mal genauer an: was ist für die Weggesperrten in solchen Situationen wichtig? Unsere Solidarität!

Die Frage für uns ist doch die: wie können wir unsere Verbundenheit mit den Eingekerkerten zeigen? Wie können wir diese Situation für uns alle umdrehen, um unsere Vorstellungen durchzusetzen?

Wichtig ist, uns nicht von den Repressionsorganen abschrecken und bestimmen zu lassen, sondern von unserem Bedürfnis nach Solidarität auszugehen.

Cengiz Oban, der wegen § 129b wegegesperrt ist, schreibt am 31.7.09 dazu: " Briefe sind für Gefangene nicht wegzudenken, auch eine Postkarte, einzig und allein mit einem Gruß ist die kleinste auch größte Freude für den Gefangenen...

Mit der Inhaftierung geht es doch genau darum, nämlich die Solidarität und die Kollektivität zu durchbrechen. Da, wo die Solidarität herrscht, kann es keinen Egoismus geben. So stark die Kollektivität wächst, so schwach wird auch die Konkurrenz..."

Wichtig dabei ist, dass die Auseinandersetzungen mit den Gefangenen möglichst gemeinsam vor- und nachbereitet werden. Möglichst Kontakt zu den Angehörigen, AnwältInnen, anderen BriefschreiberInnen aufnehmen und auch seine eigenen Zusammenhänge in diese Arbeit einzubeziehen. So steht mensch nicht allein vor dieser Situation und so konstituiert sich draußen auch ein kollektiver Prozess.

"Genau das ist auch der Schutz und die Barrikade vor der Verelendung. In diesem Punkt treten die § 129a/b in Kraft und es ist der Versuch, die Solidarität zu durchbrechen. Unsicherheit und Angst sollen sich verbreiten. Angst vor Knast und Angst vor Erfassung. Sobald mensch verknastet ist, geht es weiter mit der Isolation. Da, wo doch die Kollektivität ein Medikament für die Krankheitssymptome des Systems ist, so ist es auch ein unverzichtbares Medikament gegen die Isolation." (Cengiz)

Wir können deshalb Antirepressionsarbeit nicht losgelöst von Gefangenen betreiben, denn das wäre nichts anderes als Stellvertreterpolitik. Wir müssen vielmehr mit den Eingekerkerten zusammenarbeiten und unsere Praxis auch nach ihren Bedürfnissen ausrichten. Es muss uns darum gehen, die Stimme der Eingesperrten nach draußen zu tragen und ihnen einen Raum zu schaffen, wo sie sich artikulieren können.

Das heißt aber nicht, dass wir alles schlucken, was Gefangene so von sich geben. Wir müssen sie kritisch und solidarisch hinterfragen, so wie es in "Freiheit" unter uns eigentlich auch laufen sollte.

Zum Schluss noch was zur Frage, ob wir mit Inhaftierten nur solidarisch sein sollten, oder mit ihnen zusammen die tagtägliche Unterdrückung bekämpfen.

Es ist natürlich die Entscheidung von jedem Einzelnen, wie sie bzw. er sich entscheidet. Einige Gefangene, die wegen § 129b weggesperrt sind, fassen den Begriff der Solidarität weiter: Faruk Ereren, dem die Abschiebung in die Türkei droht, meint sinngemäß, führt den Klassenkampf und dann ändert es auch die Lage im Knast. Oder Nurhan Erdem meint, von den Paragrafen 129 sind alle betroffen, die für eine freie Gesellschaft kämpfen und deshalb ist eine Auseinandersetzung mit ihnen mehr als nur Solidarität, sondern auch Kampf um die eigene Befreiung.

Hier noch ein paar praktische Tipps:

  • Legt auf Veranstaltungen Postkarten und Adresslisten aus und fordert die Besucher_innen auf, den Gefangenen zu schreiben

  • Schreibt Postkarten und Briefe, legt Briefmarken für die Inhaftierten dazu

  • Berichtet ihnen in Briefen von Infoveranstaltungen, die ihr macht

  • Schickt Grußadressen an die Weggesperrten

  • Macht das Schreiben "an die drinnen" zu einem Teil eurer Praxis

  • Thematisiert das Thema auf Veranstaltungen und Demos

Nachbemerkung:

Mir ist bewusst, dass auf Grund der Platzbegrenzung alle Punkte nur fragmentarisch angesprochen werden konnten. Ich stehe aber für Veranstaltungen zur Verfügung, um die Thematik zu vertiefen.

(W.L., Gefangenen Info-Red.)


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