Brief von Cengiz Oban

04. Juni 2010 (Der Brief kam am 23.06. an)

Lieber …,

es hat mich gefreut, Dich zu sehen.(Anmerkung: der Abtipper war als Prozessbeobachter da. Er selbst hat Besuchsverbot bei allen türkischen 129b-Gefangenen) Ich hoffe, es geht Dir gut. So nahm ich es durch die Scheibe wahr. (Anmerkung: Die 3 Gefangenen sind durch ein Glasscheibe von den ProzessbesucherInnen und dem Gericht einschließlich ihrer VerteidigerInnen abgetrennt.)

Ich habe alle deine Briefe erhalten. Danke. Bei einigen Briefen hat es bis zu sechs Wochen gedauert bis sie hier ankamen. Es war der Brief Nr.18 mit der Berichterstattung zu unserem Prozess. Deinen letzten Brief vom 17.Mai habe ich am 3.Juni bekommen.

Ich schrieb Dir in meinem letzten Brief, daß ich mich auf die Erklärung und den Prozess vorbereiten werde. Es sind inzwischen nun drei Monate vergangen. Viel zu viel Zeit, tut mir leid. Ich brauchte aber die Zeit. Es hat sicherlich mit den Umständen zu tun, in denen sich mensch befindet.

Nun bin ich auch seit fast drei Monaten in Düsseldorf. Es sind die gleichen Bedingungen wie in Bochum. Die Atmosphäre hier ist jedoch lockerer und besser. Bin hier noch keinem Bediensteten begegnet, der mich in vier Stunden acht Mal durchsucht hat. In Bochum gab es solche. Das Essen ist auch besser und an den Wochenenden gibt es auch warme Brötchen zum Frühstück. Vor drei Wochen hatte ich meinen ersten Umschluss nach achtzehn Monaten Haft. Es ist jemand aus Polen, mit dem ich Blackgammon spielte. Der Umschluss ist aber von seiner Lust und seiner Zeit abhängig. In der Regel einmal in der Woche. Hier gibt es auch einen Krafttrainingsraum für Iso-Gefangene, den ich ein paar Mal in der Woche benutzen kann.

Privatbesuche habe ich ohne Trennscheibe, jedoch in Anwesenheit von einer Dolmetscherin und dem BKA. Verteidigerbesuche sind aber weiterhin mit Trennscheibe.

Faruk habe ich leider auch noch nicht sehen können. Wir befinden uns auf unterschiedlichen Abteilungen. …

In deinem letzten Brief hast auch unter anderem über Faruks Prozess berichtet. Wie du auch in unserem Prozess gesehen hast, gibt es keine große Unterschiede zwischen den Verfahren. Der einzige inhaltliche Unterschied ist die Anwendung des Außenwirtschaftsgesetz (AGW) gegen uns. Hierzu läuft vor dem Europäischen Gerichtshof ( EuGH) noch das Verfahren. Anmerkung:( Vor dem EuGH soll geklärt werden, ob das AGW überhaupt in dem Prozess gegen Istanbullu, Nurahn und Cengiz angewandt werden kann.) Mit einer Entscheidung des EuGH wird in den nächsten Monaten gerechnet. Im letzten Monat fand eine mündliche Verhandlung statt. Wir waren zwar nicht dabei, aber unsere VerteidigerInnen waren präsent.

Mal sehen, was dabei herauskommen wird. Aber es bleibt dabei, wie es Sophie Scholl es schon mal im Kampf gegen Faschismus ausgedrückt hatte: "Das Gesetz ändert sich, das Gewissen nicht."

In diesem Sinne lieber..., mache ich hier mal Schluss und freue mich auf eine baldige Antwort.

Liebe Grüße

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