Brief von Ahmet Düzgün Yüksel
Zum Urteil im Stammheim-Verfahren
26. Juli 2010
Hallo lieber (...),
ich habe eure Soli-Karte vom 9. Juli mit Freude erhalten. Außerdem bedanke ich mich sehr bei allen Delegationsbesuchern vom 6. Juli.
Ich wusste nicht, dass die Delegation am 6. Juli kommen wird. Deshalb hatte ich am 6. Juli nur den juristischen Teil vorgelesen. Mein letztes Wort hat 1,5 Tage lang angedauert. Wir warten auf das Ergebnis. Weil, es gab „über 160 Verhandlungstage, über 2,5 Mio. Euro Kosten, über 30 Befangenheitsanträge, usw.“, das heißt, wir müssen zurück in den Knast.
Zwar haben wir auf dem „Papier“ gewonnen, aber praktisch haben wir das, was wir genonnen haben, wieder zurückgegeben. Denn der deutsche Staat akzeptiert nicht mehr seine Niederlage. Weil sie kein Japaner sind, sondern ein deutscher Senat.
Sogar alle Beamten haben gemerkt, dass der Senat verloren hat, aber seine Niederlage nicht akzeptiert. Bei diesem Prozess gab es nur ein Hauptthema: „Wer ist Mitglied, wer ist Anhänger und wer ist Symphatisant?“
Schließlich hat der Senat nach dem „juristischen Krieg“ (etwa zwei Monate vorher) gesagt: „OK, sie haben Recht, aber wir möchten einen Deal machen.“ Natürlich haben wir daraufhin erwidert: „Nein, wieso einen Deal, wenn wir Recht haben, sie müssen uns beide entlassen!“
Aber leider wird man das nicht bei der deutschen Justiz. Wenn sie auf der einen Seite verloren haben, müssen sie auf der anderen Seite unbedingt gewinnen. Deshalb musste sie alle Gelegenheiten wahrnehmen, und das haben sie auch.
Wir sind nun beide in Revision gegangen, da ist auch eine „Haftbeschwerde“ dabei. Aber ich glaube nicht daran, dass wir bei der BGH eine Entlassung bekommen. Das heißt, Devrim muss bis Frühling ins Gefängnis und ich muss noch etwa zwei Jahre ins Gefängnis.
Ich hoffe, du hast alles gut verstanden, was ich zu berichten hatte.
Viel Liebe und Grüße an alle Genossinnen und Genossen aus Stammheim. Uns geht es gut.
Lebt wohl,
A. Düzgün