Von Carsten Ondreka 21.04.2010 / Inland (Neues Deutschland)

Bewährung für Antifaschisten

Berufungsprozess vor dem Stuttgarter Landgericht endet mit einem Deal

Das Stuttgarter Landgericht verurteilte am Dienstag sieben Antifaschisten zu Bewährungsstrafen. Sie sollen vor drei Jahren NPD-Mitglieder am Rande eines Neonazikonzerts angegriffen haben.

Der Berufungsprozess gegen sieben Antifaschisten aus Stuttgart ging am Dienstag unerwartet schnell zu Ende. Nachdem der erste Polizeizeuge nicht erschien, schlossen die Prozessbeteiligten einen Vergleich. Begründet auf der schwierigen Beweislage wurde das Strafmaß für alle Angeklagten gemindert. In dem im Anschluss verkündeten Schuldspruch wurden sie zu Bewährungsstrafen von sechs Monaten bzw. eineinhalb Jahren verurteilt. Somit entgingen zwei der Angeklagten einer möglichen Haftstrafe.

Grundlage der Anklage war ein Angriff auf fünf NPD-Mitglieder. Zwei von ihnen trugen Schürf- und Platzwunden sowie Prellungen davon. Unmittelbar vor dieser Auseinandersetzung im Februar 2007 fand ein von der regionalen NPD organisiertes »Faschingskonzert« mit einem Auftritt des bundesweit bekannten Naziliedermachers Frank Rennicke statt. Der Veranstaltungsort war von Stadtverwaltung und Polizei geheim gehalten worden. Durch eigene Recherchen wurden Antifaschisten auf die Veranstaltung aufmerksam, dort aber von einem Großaufgebot der Polizei empfangen. Am Abend kam es dennoch zur besagten Konfrontation in der Nähe des Veranstaltungsorts. Wenig später hatte die Polizei die sieben Antifaschisten in ihren Autos aufgegriffen und vorläufig festgenommen.

In einem ersten Prozess vor dem Amtsgericht waren die Angeklagten im September 2009 teils zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Trotz vieler widersprüchlicher Zeugenaussagen und obwohl dem Richter nach eigenen Worten »keine direkten Beweise« vorlagen, wurde damals von Seiten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft kein Zweifel an der Schuld der Angeklagten zugelassen. Entlastendes Material sowie zahlreiche Anträge der Anwälte fanden keine Beachtung. Der »Solikreis Stuttgart« sah »den unbedingten Willen von Staatsanwaltschaft und Gericht, antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren«. Die Anwälte gingen in Berufung.

Nach Prozessbeginn vor dem Landgericht verweigerten die Angeklagten am Montag die Aussage. Der erste Prozesstag wurde von Protesten begleitet. Ein Bündnis aus verschiedenen linken Gruppen und Einzelpersonen rief zu einer Kundgebung und zur Prozessbeobachtung auf. Über 90 Antifaschisten folgten dem Aufruf.

Nach der Urteilsverkündung am gestrigen zweiten Prozesstag zeigte sich der »Solikreis Stuttgart« in einer ersten Stellungnahme zufrieden. Einen Grund für das Einlenken des Gerichts sah der Solikreis im starken öffentlichen Protest.